Die Zahl Vier in Gottfried von Straßburgs „Tristan"
Obwohl das wiederholte Auftauchen der Zahl Vier in einem Erzähltext nicht ungewöhnlich ist, so ist doch das häufige Vorkommen dieser Zahl im Tristan so auffällig, dass bereits gemutmaßt wurde, die Vier sei eine Lieblingszahl Gottfrieds (Schoenwald S.77).
Bedeutungsvoll ist die Vier bereits für den Beginn der Beziehung von Tristans Eltern, zumal sich diese auf dem vierwöchigen Maifest des Königs Marke kennen lernen (ebd. S.76). Nachdem Tristans Mutter ihren Sohn am vierten Tag der Wehen zur Welt gebracht hat, kennzeichnet die Zahl fortan seinen Lebensweg. Nach dem Tod der Mutter wird er für seine Adoptiveltern zu deren vierten Sohn (S. 79).
Charakteristisch für Tristan sind vor allem seine beachtlichen Fähigkeiten (er ist sowohl Jäger und Ritter als auch Sänger und Liebhaber), die wiederum oft mit der Zahl Vier in Verbindung stehen. Als Meister der Jagdkunst beeindruckt Tristan den königlichen Hof durch die Art, wie er den erlegten Hirsch zerteilt. Er spaltet das Tier zunächst von dem houbete ze tal und teilt danach beide Hälften erneut. Danach schneidet er das Herz criuzewis in vier Teile.
In seiner Eigenschaft als Ritter wird Tristan in mehrfacher Hinsicht von der Vier unterstützt. Dadurch, dass er zur Schwertleite mit vierfacher rîcheite bedacht ist, hat er im Kampf bereits deutliche Vorteile, die durch seine vierteilige Rüstung - helm unde halsperc, schilt unde hosen - noch ergänzt werden. Aber die Unterstützung durch die Vier reicht noch weiter: Um dem viermännerstarken Riesen Morolt beizukommen, muss sich Tristan ihm in vervierfachter Form entgegenstellen. In Gottfrieds Version muss Tristan nicht allein kämpfen, denn er verfügt über drei Kräfte (und zwar Gott, Recht und willigen muot), die beinahe wie leibhaftige Personen beschrieben werden und mit ihm ze kampfe gan.
Tristans kulturelle Vielschichtigkeit, die er nach der Trennung von Isolde durch das Bereisen der vier Länder Schampânje, Allmânje, Normandîe und Parmenîe noch erweitern wird, zeigt sich bereits in der Spielmannsszene: Er beherrscht vier Sprachen, kann britûnisch singen und gâlois, guot latîne und franzois.
Darüber hinaus wird die Vier mehrfach mit dem „Lustort" an der fossiure in Zusammenhang gebracht. In dem Riegel des Türschlosses sind vier Eigenschaften verborgen: die wisheit und die sînne (17024) und die kuische und die reine (17026). Der Ort wird außerdem an vier verschiedenen Stellen beschrieben (16730ff., 16881ff., 17147ff. und 17347ff.), was besonders deshalb ungewöhnlich ist, da mehrfache Ortsbeschreibungen in mittelalterlicher Dichtung nicht üblich waren. Genannt werden auch insgesamt vier Frauen, deren Schicksale Tristan und Isolde an der fossiure zum Trost dienen, und zwar Phyllis, Canace, Byblis und Dido (17189-17196).
Warum die Zahl Vier in Gottfrieds Tristan-Adaption einen so großen Stellenwert einnimmt, ist nicht eindeutig geklärt. Der Text vermittelt allerdings den Eindruck, als würde der Dichter das Ideal des vollkommenen Selbst mit der Vier assoziieren. T r i -stan, dessen Name bereits auf seine Dreiteiligkeit (und somit Unvollkommenheit) verweist, ist daher ständig darauf bedacht, um sein fehlendes Viertel ergänzt zu werden. Erfolg - in welchem Bereich auch immer – ist im Roman stets mit der Vier verknüpft. Um dies zu betonen, wird die Vier sogar dann erwähnt, wenn die Information zunächst überflüssig erscheint - so hat Tristans Pferd zum Beispiel ausdrücklich vier Beine. Relevant wird das Erwähnen der Vierbeinigkeit erst, wenn man sie metaphorisch als Voraussetzung für Leistungsfähigkeit versteht. Denn nachdem das Pferd im Kampf ein Bein verloren hat, ist es ebenso hilflos, wie Tristan es wäre, wenn man ihn um seinen erworbenen vierten Teil bringen und ihn somit wieder auf eine Drei reduzieren würde.
Literatur: Schoenwald, Ulrich: Hermes Spuren. Geist und Struktur in Gottfrieds Tristan. Cuvillier Verlag, Göttingen 2005, S.76-79.
Obwohl das wiederholte Auftauchen der Zahl Vier in einem Erzähltext nicht ungewöhnlich ist, so ist doch das häufige Vorkommen dieser Zahl im Tristan so auffällig, dass bereits gemutmaßt wurde, die Vier sei eine Lieblingszahl Gottfrieds (Schoenwald S.77).
Bedeutungsvoll ist die Vier bereits für den Beginn der Beziehung von Tristans Eltern, zumal sich diese auf dem vierwöchigen Maifest des Königs Marke kennen lernen (ebd. S.76). Nachdem Tristans Mutter ihren Sohn am vierten Tag der Wehen zur Welt gebracht hat, kennzeichnet die Zahl fortan seinen Lebensweg. Nach dem Tod der Mutter wird er für seine Adoptiveltern zu deren vierten Sohn (S. 79).
Charakteristisch für Tristan sind vor allem seine beachtlichen Fähigkeiten (er ist sowohl Jäger und Ritter als auch Sänger und Liebhaber), die wiederum oft mit der Zahl Vier in Verbindung stehen. Als Meister der Jagdkunst beeindruckt Tristan den königlichen Hof durch die Art, wie er den erlegten Hirsch zerteilt. Er spaltet das Tier zunächst von dem houbete ze tal und teilt danach beide Hälften erneut. Danach schneidet er das Herz criuzewis in vier Teile.
In seiner Eigenschaft als Ritter wird Tristan in mehrfacher Hinsicht von der Vier unterstützt. Dadurch, dass er zur Schwertleite mit vierfacher rîcheite bedacht ist, hat er im Kampf bereits deutliche Vorteile, die durch seine vierteilige Rüstung - helm unde halsperc, schilt unde hosen - noch ergänzt werden. Aber die Unterstützung durch die Vier reicht noch weiter: Um dem viermännerstarken Riesen Morolt beizukommen, muss sich Tristan ihm in vervierfachter Form entgegenstellen. In Gottfrieds Version muss Tristan nicht allein kämpfen, denn er verfügt über drei Kräfte (und zwar Gott, Recht und willigen muot), die beinahe wie leibhaftige Personen beschrieben werden und mit ihm ze kampfe gan.
Tristans kulturelle Vielschichtigkeit, die er nach der Trennung von Isolde durch das Bereisen der vier Länder Schampânje, Allmânje, Normandîe und Parmenîe noch erweitern wird, zeigt sich bereits in der Spielmannsszene: Er beherrscht vier Sprachen, kann britûnisch singen und gâlois, guot latîne und franzois.
Darüber hinaus wird die Vier mehrfach mit dem „Lustort" an der fossiure in Zusammenhang gebracht. In dem Riegel des Türschlosses sind vier Eigenschaften verborgen: die wisheit und die sînne (17024) und die kuische und die reine (17026). Der Ort wird außerdem an vier verschiedenen Stellen beschrieben (16730ff., 16881ff., 17147ff. und 17347ff.), was besonders deshalb ungewöhnlich ist, da mehrfache Ortsbeschreibungen in mittelalterlicher Dichtung nicht üblich waren. Genannt werden auch insgesamt vier Frauen, deren Schicksale Tristan und Isolde an der fossiure zum Trost dienen, und zwar Phyllis, Canace, Byblis und Dido (17189-17196).
Warum die Zahl Vier in Gottfrieds Tristan-Adaption einen so großen Stellenwert einnimmt, ist nicht eindeutig geklärt. Der Text vermittelt allerdings den Eindruck, als würde der Dichter das Ideal des vollkommenen Selbst mit der Vier assoziieren. T r i -stan, dessen Name bereits auf seine Dreiteiligkeit (und somit Unvollkommenheit) verweist, ist daher ständig darauf bedacht, um sein fehlendes Viertel ergänzt zu werden. Erfolg - in welchem Bereich auch immer – ist im Roman stets mit der Vier verknüpft. Um dies zu betonen, wird die Vier sogar dann erwähnt, wenn die Information zunächst überflüssig erscheint - so hat Tristans Pferd zum Beispiel ausdrücklich vier Beine. Relevant wird das Erwähnen der Vierbeinigkeit erst, wenn man sie metaphorisch als Voraussetzung für Leistungsfähigkeit versteht. Denn nachdem das Pferd im Kampf ein Bein verloren hat, ist es ebenso hilflos, wie Tristan es wäre, wenn man ihn um seinen erworbenen vierten Teil bringen und ihn somit wieder auf eine Drei reduzieren würde.
Literatur: Schoenwald, Ulrich: Hermes Spuren. Geist und Struktur in Gottfrieds Tristan. Cuvillier Verlag, Göttingen 2005, S.76-79.